Häufigkeit der Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau in niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten

  • Lassen Krebsregisterdaten einen Zusammenhang zur Inzidenz von Zervixkarzinomen und seinen Frühformen erkennen?

Das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm wurde Anfang der 1970er Jahre in Deutschland eingeführt. Seit 1982 ist der zytologische Abstrich der Zervix (PAP-Abstrich) Bestandteil der Krebsfrüherkennungs-Richtlinien. Die Untersuchung kann von Frauen ab 20 Jahren jährlich in Anspruch genommen werden. Mit der Einführung dieser Krebsfrüherkennungsuntersuchung (KFU) ist die Inzidenz und die Mortalität am Zervixkarzinom deutlich zurückgegangen, was anhand der Verlaufsdaten des RKI für Deutschland deutlich wird.

Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf der Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms in Deutschland 1980 – 2004 (aus: Krebs in Deutschland, 6. Auflage, 2008)
Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf der Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms in Deutschland 1980 – 2004 (aus: Krebs in Deutschland, 6. Auflage, 2008)

Der Inzidenzrückgang geht mit einem Anstieg von Präkanzerosen und In-situ-Karzinomen der Zervix einher, die eine sehr günstige Prognose aufweisen. In-situ-Karzinome werden dabei vor allem bei jüngeren Frauen diagnostiziert (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Häufigkeit von Zervixkarzinomen und In-situ-Karzinomen in den Altersklassen (Niedersachsen, 2003 – 2005)

Anders als in benachbarten europäischen Ländern (wie z.B. England) handelt es sich in Deutschland nicht um ein qualitätsgesichertes Screeningprogramm mit organisiertem Einladungswesen. Daher wird die auf freiwilliger Basis stattfindende Inanspruchnahme vor allem von der Motivation der Frauen und der GynäkologInnen beeinflusst.

Mit dem Ziel, eventuell vorhandene regionale Unterschiede der Inanspruchnahme der Zervix-KFU in Niedersachsen aufzuzeigen, hat das EKN eine Auswertung der Abrechnungsfrequenzen für die Befundung von PAP-Abstrichen (Abrechnungsziffer 155) und für die Durchführung der Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau (Abrechnungsziffer 157) vorgenommen. Hierfür hatte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) die Abrechnungsfrequenzen für die Jahre 2003 – 2005 differenziert nach Wohnort der Frauen zur Verfügung gestellt, welche die Grundlage für die nachfolgenden Schätzungen der Teilnahmeraten sind. Die Analysen beziehen sich auf die weibliche Bevölkerung im Alter von 20 – 84 Jahren.

In einem nächsten Schritt hat das EKN für Niedersachsen insgesamt anhand dieser Daten überprüft, ob auf ökologischer Studienebene ein Zusammenhang zwischen der Teilnahmerate an der KFU und der Häufigkeit von Zervixkarzinomen oder seinen Frühformen zu beobachten ist.

Ergebnisse

Ein Vergleich der Abrechnungsziffern 155 und 157 lässt grob darauf schließen, dass die zytologische Untersuchung von PAP-Abstrichen für etwa 17% der Abstriche außerhalb von Niedersachsen stattfindet. Der Anteil schwankt regional deutlich zwischen 0,5% und 53,1%. Der PAP-Abstrich ist in der Regel ein integraler Bestandteil der KFU der Frau, so dass die regionalen Vergleichsuntersuchungen vor allem anhand der Abrechnungsziffer 157 (KFU der Frau) durchgeführt werden.

Die geschätzten Teilnahmeraten an der KFU in den Landkreisen und kreisfreien Städten sind in Abbildung 3 aufgeführt. Die aufgeführten Teilnahmeraten an der KFU sind grundsätzlich als grobe Schätzung aufzufassen, da Angaben zum individuellen Teilnahmeverhalten der Frauen in dem untersuchten 3-Jahres-Zeitraum aus den Routinedaten der KVN nicht hervorgehen.

Abbildung 3: Unterschiede der Teilnahmerate an der Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau (Abrechnungsziffer 157, 2003 – 2005, bezogen auf 20-84-jährige Frauen)
Abbildung 3: Unterschiede der Teilnahmerate an der Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau (Abrechnungsziffer 157, 2003 – 2005, bezogen auf 20-84-jährige Frauen)

Häufigkeit von abgerechneten PAP-Abstrichen (Abrechnungsziffer 155) und Krebsfrüherkennungsuntersuchungen der Frau (KFU, Abrechnungsziffer 157)

Bezogen auf Frauen im Alter von 20 – 84 Jahren liegt die Häufigkeit von abgerechneten PAP-Abstrichen in Niedersachsen bei 34% (min. 17%; max. 54%). Die Abrechnungszahlen für die KFU der Frau sind erwartungsgemäß höher; die geschätzte durchschnittliche Teilnahmerate beläuft sich auf 41,3%, wobei regionale Unterschiede zwischen 24% und 48% auftreten (siehe Abbildung 3 und Tabelle 1).

Tabelle 1: Geschätzte regionale Teilnahmerate an der Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau (Abrechnungsziffer 157); Inzidenz von In-situ-Karzinomen der Zervix (ICD-10 D06) und invasiven Zervixkarzinomen (ICD-10 C53), bezogen auf 20-84-jährige Frauen, 2003-2005
Tabelle 1: Geschätzte regionale Teilnahmerate an der Krebsfrüherkennungsuntersuchung der Frau (Abrechnungsziffer 157); Inzidenz von In-situ-Karzinomen der Zervix (ICD-10 D06) und invasiven Zervixkarzinomen (ICD-10 C53), bezogen auf 20-84-jährige Frauen, 2003-2005

Regionale Zervixkarzinomhäufigkeit

Die rohe Inzidenz invasiver Zervixkarzinome (ICD-10 C53; n = 1.249) liegt für 20-84-jährige Frauen für die Diagnosejahre 2003-2005 bei 13,3 je 100.000, wobei regionale Unterschiede zu beobachten sind (min. 5,2; max. 22,6; siehe Tabelle 1 + Abbildung 4b). Nach Schätzung des RKI liegt der Erfassungsgrad des Zervixkarzinoms im niedersächsischen Krebsregister bei 74%. Erwartungsgemäß ist deshalb die Inzidenz im Saarland mit 16,5 je 100.000 20-84-jährige Frauen noch etwas höher.

Noch deutlicher sind die regionalen Unterschiede hinsichtlich der Inzidenz von In-situ-Karzinomen der Zervix (ICD-10 D06; n= 4.004). Für Niedersachsen insgesamt liegt sie bei 43 je 100.000 20-84-jährige Frauen, regional sind Inzidenzunterschiede zwischen 5,6 und 90,5 je 100.000 zu beobachten (siehe Tabelle 1 + Abbildung 4a).

Abbildung 4a + 4b: Inzidenz von In-situ-Karzinomen der Zervix (Abb. 4a) und invasiven Zervixkarzinomen (Abb. 4b) (Diagnosejahre 2003-2005, rohe Rate/100.000 20-84-jährige Frauen)
Abbildung 4a + 4b: Inzidenz von In-situ-Karzinomen der Zervix (Abb. 4a) und invasiven Zervixkarzinomen (Abb. 4b) (Diagnosejahre 2003-2005, rohe Rate/100.000 20-84-jährige Frauen)

Korrelationsanalyse

Anhand einer Korrelationsanalyse wurde der Zusammenhang zwischen Teilnahmerate und Krebshäufigkeit überprüft. Interessierende Frage war dabei z. B., ob eine hohe Teilnahmerate an der KFU der Frau assoziiert ist mit einer hohen Inzidenz von In-situ-Karzinomen bzw. mit einer niedrigen Inzidenz von invasiven Zervixkarzinomen. In zwei Landkreisen liegen die Abrechnungsfrequenzen für die Befundung von PAP-Abstrichen (Abrechnungsziffer 155) entgegen der Erwartung über denen für die KFU der Frau (Abrechnungsziffer 157). Diese beiden Landkreise wurden aus den nachfolgenden Korrelationsanalysen ausgeschlossen.

Korrelation PAP-Abstrich und Krebshäufigkeit

Zwischen PAP-Abstrich (155) und In-situ-Karzinomen (D06) besteht eine geringe positive Korrelation (R² = 23%) (siehe Abbildung 5a). Dieser Zusammenhang löst sich jedoch auf (R² < 1%), wenn nur die 22 Landkreise und Städte in die Analyse eingehen, für die der Anteil von PAP-Abstrichen, die außerhalb von Niedersachsen befundet werden, vergleichsweise gering ist, also unter dem niedersächsischen Durchschnitt liegt.

Korrelation KFU der Frau und Krebshäufigkeit

In der Korrelationsanalyse zeigt sich für die KFU der Frau weder ein Zusammenhang zum Verhältnis von D06:C53 (R² = 2%) noch zu In-situ-Karzinomen allein (R² = 1%; siehe Abbildung 5b). Auch die negative Korrelation zwischen der KFU der Frau und invasiven Karzinomen ist mit einem R² von 5% sehr gering (siehe Abbildung 5c). Die Inzidenz von invasiven Zervixkarzinomen lässt sich auf ökologischer Studienebene somit nur zu 5% durch die Teilnahmerate an der KFU erklären.

Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Krebsfüherkennungsuntersuchungen und Inzidenz von Zervixkarzinom und seinen Frühformen.
Abbildung 5: Zusammenhang zwischen Krebsfüherkennungsuntersuchungen und Inzidenz von Zervixkarzinom und seinen Frühformen.

Diskussion

Anhand der Abrechnungszahlen für die in Niedersachsen durchgeführten Krebsfrüherkennungsuntersuchungen bei Frauen (KFU, Abrechnungsziffer 157) sind Aussagen zum Teilnahmeverhalten von gesetzlich versicherten Frauen möglich. Alle niedersächsischen Frauen, die im Untersuchungszeitraum in Niedersachsen an einer KFU teilgenommen haben, sind in diesen Abrechnungsfrequenzen enthalten. Lediglich die Frauen, die außerhalb von Niedersachsen eine KFU haben durchführen lassen, sind nicht in den KVN-Zahlen erfasst. Von Bedeutung dürfte dieser Effekt vor allem im Randgebiet von Bremen und Hamburg sein. Die hier z.T. unterdurchschnittlichen Teilnahmeraten lassen darauf schließen, dass ein Teil der Frauen die gynäkologische Untersuchung in den Stadtstaaten durchführen lässt.

Die Teilnahmerate an der KFU der Frau ist mit 41,3% in Niedersachsen unzureichend, sie liegt noch unter dem deutschen Durchschnitt. Die vom RKI für Deutschland angegebene Teilnahmerate an der KFU der Frau beträgt 46,8%. Regionale Unterschiede der Teilnahmeraten sind zu beobachten; diese sind jedoch weniger als erwartet mit der Häufigkeit von In-situ-Karzinomen und invasiven Zervixkarzinomen assoziiert.

Ein wesentlicher Grund für den geringen Zusammenhang dürfte in dem ökologischen Studiendesign angelegt sein, welches keine Aussagen zum Zusammenhang von individuellem Vorsorgeverhalten und Krebsentstehung zulässt. Hinsichtlich des Auftretens von invasiven Zervixkarzinomen ist z.B. zu berücksichtigen, dass Frauen zum Diagnosezeitpunkt häufig nicht mehr an dem Wohnort leben, an dem sie zuletzt an einer KFU teilgenommen haben. Dieses gilt insbesondere aufgrund der langen Latenzzeit des Zervixkarzinoms von mindestens 8 Jahren. Auch zur Regelmäßigkeit der Teilnahme in dem Studienzeitraum von drei Jahren sind keine Aussagen möglich. Erschwert wird die ökologische Analyse dadurch, dass die Abrechnungsdaten der KVN zum Studienzeitpunkt noch nicht mit den Altersangaben der Teilnehmerinnen verfügbar waren. Aber auch regionale Meldedefizite des EKN können die Ergebnisse beeinflussen.

Trotz der grundsätzlichen Begrenztheit ökologischer Studien stellt sich für In-situ-Karzinome der Zervix die interessante Frage, ob neben den bekannten Risikofaktoren (siehe Jahresbericht 2005, Seite 37) weitere Faktoren auf die Inzidenz Einfluss nehmen, die den Effekt der Teilnahmerate eventuell überdecken. Im EKN werden In-situ-Karzinome ab der zytologischen Klassifikation PAP IVa bzw. ab der histologischen Klassifikation CIN 3 registriert. Ca. 80% der im EKN dokumentierten In-situ-Karzinome der Zervix sind histologisch gesichert. Es ist jedoch bekannt, dass der Übergang zwischen Vorstufen und In-situ-Karzinomen – also von CIN 2 zu CIN 3 – fließend ist. Ob hier evtl. regionale Klassifikationsunterschiede für In-situ-Karzinome der Zervix zum Tragen kommen, bedarf einer gesonderten Untersuchung.

Ausblick

Es wird angestrebt, die Analyse unter Einbeziehung der Stadtstaaten Bremen und Hamburg zu wiederholen. Soweit seitens der KVN die Altersangaben der Teilnehmerinnen inzwischen elektronisch verfügbar sind, sollen bei der Auswertung der Abrechnungsfrequenzen auch altersabhängige Effekte überprüft werden.

Die Ergebnisse wurden auf der 1. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) im September 2006 in Greifswald vorgestellt.

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