Hintergrund
Der Aufbau des organisierten Mammographie-Screening-Programms (MSP) fand in Niedersachsen von 2005 bis 2007 statt. Im Jahr 2008 nahmen 53,1% der anspruchsberechtigten 50-69-jährigen Frauen in Niedersachsen am MSP teil. 2010 ging das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) in einer Fragebogenerhebung der Frage nach, wie häufig Brustkrebs außerhalb des MSP entdeckt wurde und aus welchem Anlass die Diagnosestellung stattfand.
Weiterhin interessierte die Frage, wie häufig Brustkrebs im sogenannten ‚grauen Screening’ entdeckt wurde – also durch eine im Rahmen der kurativen Versorgung durchgeführten Früherkennungs-Mammographie ohne Vorliegen einer rechtfertigenden Indikation.
Methodik
Im Diagnosejahr 2008 wurden dem EKN 4.400 Brustkrebsfälle (ICD 10 C50 + D05) bei 50-69-jährigen niedersächsischen Frauen gemeldet. Alle lebenden Brustkrebs-Patientinnen des Diagnosejahres 2008, für die im EKN eine Einwilligungsmeldung vorlag (n = 3.313), wurden Ende 2010 schriftlich befragt, u. a. zu Diagnoseanlass, Diagnoseverfahren, früherer Screeningteilnahme, familiären Risikofaktoren. Der Rücklauf der Fragebögen betrug 58% (n = 1.917). Der FB-Screeningstatus (Brustkrebs entdeckt im Screening / außerhalb des Screenings) wurde im EKN von zwei Personen unabhängig voneinander aus den Fragebogenantworten abgeleitet. Unklare Fragebogenantworten wurden der Kategorie ‚Diagnoseanlass (DA) unklar’ zugeordnet. Die Klassifikation in die Kategorie ‚Screeningfall ja/nein‘ wurde im Jahr 2014 noch einmal validiert im Rahmen eines Routineabgleichs des MSP mit den Daten des EKN, der zur Ermittlung von Intervallkarzinomen stattfand. Somit lag abschließend ein Goldstandard vor (siehe Poster (pdf, 118 KB)).
Die Gruppe der Nicht-Screeningfälle wurde unterteilt in Frauen, die im Fragebogen eine klinische Symptomatik als Diagnoseanlass angegeben haben, sowie in Frauen, bei denen eine Mammographie ohne klinische Symptomatik durchgeführt wurde. Für Frauen, deren Brustkrebs ohne klinische Symptomatik anhand einer Mammographie erstmals entdeckt wurde, wurde anhand der Fragebogen-Angaben der Frauen das Brustkrebsrisiko ermittelt (Parameter: eigene frühere Brustkrebserkrankung oder Brustkrebs bei Verwandten 1. Grades). Wenn ein erhöhtes Brustkrebsrisiko als rechtfertigende Indikation für eine Früherkennungs-Mammographie im kurativen Bereich vorhanden war, wurden diese Frauen nicht dem ‚grauen Screening‘ zugeordnet.
Häufigkeit des ‘grauen Screenings’ als Diagnoseanlass von Brustkrebs
Bei 1.169 (61,0%) der 1.917 Frauen wurde der Brustkrebs im Screening entdeckt, 723 Fälle (37,7%) wurden außerhalb des Screenings entdeckt und 25 Fälle (1,3%) waren nicht zuordenbar (siehe Abbildung 1).
Die weitere Analyse der 723 Nicht-Screeningfälle zeigt, dass 517 Fälle (27,0% von 1.917) aufgrund einer klinischen Symptomatik entdeckt wurden. Für 125 Fälle (6,5% von 1.917) lag bei Durchführung der Mammographie keine klinische Symptomatik vor. Allerdings gaben 51 dieser Frauen im Fragebogen ein erhöhtes Brustkrebs-Risiko an (früherer eigener Brustkrebs oder Brustkrebs bei Verwandten 1. Grades).
Ein erhöhtes Brustkrebs-Risiko gilt als Indikation für engmaschigere Vorsorgeuntersuchungen. Somit kann nur für die verbliebenen 74 symptomlosen Nicht-Risiko-Frauen angenommen werden, dass die Diagnose im Rahmen des ‚grauen Screenings’ stattfand (3,9% von 1.917 – siehe Abbildung 2).
Diskussion
Das ‘graue Screening’ war im Jahr 2008 nur für einen relativ geringen Anteil von 3,9% aller Brustkrebsfälle bei 50-69-jährigen Frauen der Diagnoseanlass. Es ist möglich, dass sich dieser Anteil bei weiterer Etablierung des organisierten MSP noch verringert.
Die Ergebnisse wurden im September 2015 auf der 10. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) in Potsdam als Poster (pdf, 118 KB) veröffentlicht.