Seit 2008 haben gesetzlich Versicherte in Deutschland ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre Anspruch auf eine Hautkrebsfrüherkennungsuntersuchung (HKF). Ein erstes Beurteilungsmerkmal eines Krebsfrüherkennungsprogramms ist der Anstieg der Krebsinzidenz durch eine häufigere Entdeckung von nichtinvasiven Frühstadien (in situ-Karzinome) und kleinen Tumoren (T1).

Bei der Routine-Berichterstattung in Niedersachsen (Nds) fielen für den Landkreis Hildesheim (LKHi) hohe Inzidenzraten für das maligne Melanom der Haut auf. Ob diese erhöhten Inzidenzraten durch die HKF erklärt werden können, sollte anhand von zeitlichen Analysen der Inzidenz und der Tumordicke-Verteilung überprüft werden.

Methodik

Alle Patientinnen und Patienten, die zwischen 2003 und 2010 mit malignem und in situ-Melanom der Haut (ICD-10 C43 und D03) an das EKN gemeldet wurden, gingen in die Auswertung ein. Unter Verwendung des CARESS-Softwareprogramms wurden sowohl die Tumordicke-Verteilung als auch die altersstandardisierten Inzidenzraten (ASR) nach Europastandard für den LKHi und für Nds gesamt berechnet und verglichen.

Ergebnisse

Insgesamt wurden Daten von 20.421 Patientinnen und Patienten ausgewertet (C43 70,6%; D03 29,4%). Davon traten 704 Fälle im LKHi auf.

Abbildung 1 zeigt für den LKHi und für Nds die prozentuale Verteilung der Tumordicke vor und nach der Einführung der HKF (Vergleich Diagnosejahre 2003 – 2005 mit dem Zeitraum 2008 – 2010).

Abbildung 1: Tumordicke-Verteilung (%) für zusam­men­gefasste Jahre (2003 - 2005, 2008 - 2010): Vergleich LKHi und Nds gesamt (T1 ≤ 1 mm, T2 > 1-2 mm, T3 > 2-4 mm und T4 > 4 mm, TX = unbekannt)
Abbildung 1: Tumordicke-Verteilung (%) für zusam­men­gefasste Jahre (2003 - 2005, 2008 - 2010): Vergleich LKHi und Nds gesamt (T1 ≤ 1 mm, T2 > 1-2 mm, T3 > 2-4 mm und T4 > 4 mm, TX = unbekannt)

Vor Einführung der HKF 2008 zeigte der LKHi einen durchschnittlichen Anteil der kleinen Tumoren (T1) von 44,7% (2003 – 2005) und danach einen Anstieg auf 52,0% (2008-2010). In Nds war die prozentuale Zunahme von T1 geringer (Anstieg von 41,0% auf 43,8%, siehe Abbildung 1).Gleichzeitig stiegen die ASR für die kleinen Tumoren (T1) von 2003-2010 im LKHi deutlicher als in Nds an (LKHi: von 9,5 auf 29,6; Nds: von 9,0 auf 14,3). Die altersstandardisierte Rate für die größeren Tumoren (T2-T4) stieg im LKHi hingegen nur im letzten Beobachtungsjahr leicht an (von 5,2 auf 7,4) und blieb in Nds gleich bzw. ist leicht gesunken (von 5,4 auf 4,9, vgl. Abbildung 2). Bei den ASR der in situ-Karzinome sieht man in Abbildung 3 im LKHi mit Einführung der HKF im Jahr 2008 eine sprunghafte Erhöhung, während in Nds eine sehr viel geringere Zunahme zu beobachten ist.

Abbildung 2: Altersstandardisierte Inzidenzraten (Europastandard) für kleine (T1) und größere Tumore (T2-T4) im Zeitverlauf: Vergleich LKHi und Nds gesamt
Abbildung 2: Altersstandardisierte Inzidenzraten (Europastandard) für kleine (T1) und größere Tumore (T2-T4) im Zeitverlauf: Vergleich LKHi und Nds gesamt
Abbildung 3: Altersstandardisierte Inzidenzraten (Europastandard) für in situ-Karzinome im Zeitverlauf: Vergleich LKHi und Nds gesamt
Abbildung 3: Altersstandardisierte Inzidenzraten (Europastandard) für in situ-Karzinome im Zeitverlauf: Vergleich LKHi und Nds gesamt

Schlussfolgerung

Die beim malignen Melanom im LKHi beobachteten und vom Landesdurchschnitt abweichenden Inzidenzverläufe und die Tumordicke-Verteilung lassen sich mit einer verstärkten Inanspruchnahme von HKF im LKHi in Einklang bringen. Auch die Verlaufskurven der ASR von kleinen Tumoren (T1 und Tis) des malignen Melanoms liegen im LKHi deutlich über der von Nds und deuten auf eine verstärkte Inanspruchnahme der HKF hin.

Regional höhere Krebsentdeckungsraten durch Krebsfrüherkennungsuntersuchungen führen zu einer beobachteten regionalen relativen Häufung von Krebserkrankungsfällen und dürfen nicht im Sinne eines eventuell umweltbedingten Krebsclusters interpretiert werden.

Die Ergebnisse wurden als Poster auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) im September 2013 in Leipzig vorgestellt.

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